Geschichte der Institution

Das Werkbund-Archiv (Schreibweise bis 1999) wurde schon 1971/72 initiiert von dem Werkbundmitglied und Kunstpädagogen Diethart Kerbs, dem Kunst- und Fotohistorikers Janos Frecot (später Leiter der Fotoabteilung in der Berlinischen Galerie) und dem Architekten und Architekturtheoretiker/-historiker Jonas Geist mit der inhaltlichen Zielsetzung, ein Archiv und eine Bibliothek für die Lebensreformbewegungen zu Beginn des 20. Jh zu sein. Die drei gaben 1972 ein Buch zu dem Jahrhundertwendekünstler Fidus im Kontext der frühen Lebensreformbewegungen des 20. Jahrhunderts heraus und arbeiteten in den ersten Jahren ehrenamtlich für das Archiv.

Diethart Kerbs hat die Institutionalisierung, d.h. die Verhandlungen mit dem Deutschen Werkbund und dem Berliner Senat vorangetrieben gemeinsam mit dem Berliner Architekturhistoriker Julius Posener (ebenfalls Werkbund-Mitglied).

Am 27. Mai 1973 fand die Gründungsversammlung statt, um das Werkbund-Archiv als eingetragenen Verein und als autonomes, d.h. vom Deutschen Werkbund unabhängiges Forschungs- und Kommunikationszentrum zu begründen.

Von Beginn an gab es im Werkbundarchiv ein klares Bekenntnis zu einer auf die Gegenwart und Zukunft gerichteten Aktivität und zu dem Fokus auf die alltägliche Sachkultur. Der Architekturhistoriker Julius Posener schrieb im ersten Jahrbuch des Werkbund-Archivs 1972: „Es war niemals daran gedacht, dass das Werkbundarchiv lediglich Werkbund-Dokumente zusammentragen und bestenfalls auswerten solle: es leistet Werkbundarbeit, indem es die Geschichte interpretiert. Das ist sein Zugang zur Erforschung von Gegenwartsfragen (…)“. Als ein zentraler Forschungsschwerpunkt wurde im Jahrbuch 1 formuliert: „die Grundlagen der ästhetischen Kultur im zwanzigsten Jahrhundert, insbesondere der Alltagskultur breiterer Volksmassen, deren Ursachen und Hintergründe, Vorfindlichkeit und Veränderbarkeit.“ Der frühere Untertitel des Museums (bis 1999) „Museum der Alltagskultur des 20. Jahrhundert“ zeugt davon.

Die Ziele und Aufgaben in der Gründungsphase waren eine kritische Dokumentation der historischen Genese des aktuellen Welt- und Umweltzustandes, abgelesen an der Form und Funktion der Dinge, zu entwickeln. Globalität, Vernetzung, Verschränkung von Wissenschaft, Kunst und Alltag waren die zentralen Begriffe und Arbeitsansätze für die Entwicklung einer Theorie der Praxis.

1976 wurde Eckhard Siepmann Geschäftsführer des Werkbund-Archivs und blieb es bis 1995. Seine inhaltlichen Themenschwerpunkte waren politisch-künstlerische Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts (John Heartfield, Dada-Bewegung, Studentenbewegung, Situationisten).

Im Jahr 1977 gelangte der wissenschaftliche Nachlass des Werkbund-Gründers, Kulturtheoretikers und Architekten Hermann Muthesius ins Werkbundarchiv. Er bildet bis heute den Nukleus der von Forschern des In- und Auslandes (vorrangig aus USA und Japan) lebhaft frequentierten Dokumenten-Sammlung.

1986, nach einigen spektakulären Ausstellungen des Werkbund-Archivs in der Charlottenburger Schlossstraße, zog die Institution in den Martin-Gropius-Bau um – der erste Dimensionssprung seiner Geschichte.
Es wurde der neue Untertitel “Museum der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts“ etabliert.

Die von Angelika Thiekötter konzipierte Ausstellung „Kristallisationen, Splitterungen“ (1993) zum Glashaus von Bruno Taut etablierte einen neuen Qualitätsstandard im Ausstellungsbereich und hatte im Laufe der nächsten Jahre zahlreiche in- und ausländische Stationen. Angelika Thiekötter war von 1995 bis 2000 wissenschaftliche Leiterin des Museums.

In den Jahren 1995 bis 1998 konzentrierte sich das Museum auf die Präsentation der eigenen Sammlung in der Ausstellung „Ohne Titel. Sichern unter … Unbeständige Ausstellung der Bestände des Werkbund-Archivs“ und entwickelte ein neues Format der Verknüpfung von Sammlung und Austellung.

Archiv und Museum waren 1998 vorübergehend wegen Umbau des Martin-Gropius-Baus ausgelagert.

Das Museum kehrte 1999 in den Martin Gropius-Bau zurück und inszenierte seine Wiedereröffnung auf größerer Fläche mit dem neuen Namens-Zusatz „Museum der Dinge“ und dem Projekt „ware schönheit – eine zeitreise“.

Ein weiterer Dimensionssprung der Institution erfolgte durch die Ausstellung „Leonardo – Beuys“ (2000) mit internationalen und interdisziplinären Arbeitspartnern und privatwirtschaftlichen Sponsoren wie Bill Gates/Microsoft, Daimler Chrysler/debis.

Nur zwei Jahre später, 2002, verlor die Institution ihre ständigen Ausstellungsräume im Martin-Gropius-Bau und hatte bis 2007 keine ständige öffentliche Präsenz mehr – die Suche nach einem neuen Standort begann.
Das Museum orientierte sich in der Zwischenphase verstärkt auf museologische Bildungsarbeit /Nachwuchsförderung für museumsrelevante und gestaltende Fachrichtungen und experimentierte mit neuen Präsentationsformen als nomadisches Museum (Gastinstallationen in anderen Museen oder im Stadtraum).

In den Jahren 2003 und 2004 wurden diverse neue Standortoptionen entwickelt und geprüft. Der Werkbundarchiv e.V. entschied sich 2005 mit Unterstützung des Kultursenats für den neuen Standort in der Oranienstraße 25, Berlin Kreuzberg. Das Berliner Abgeordnetenhauses gewährte die notwendige Erhöhung des Etats, um Miet- und Betriebskosten für die Institution zu decken.

2006 zog das Dokumenten-Archiv und die Verwaltung an den neuen Standort in der Kreuzberger Oranienstraße. 2007 folgt der Umzug der Objekte-Sammlung und die Wiederöffnung des Museums mit dem Projekt „Kampf der Dinge – eine Ausstellung im 100. Jahr des Deutschen Werkbunds“. Das Eröffnungsprojekt blieb als neue Schausammlung in der Ästhetik eines offenen Depots bestehen.